Digital-Consulting Autor: Verena 25.05.2018
Retargeting beschreibt Maßnahmen des Online-Marketings, um Besucher einer Seite als solche zu identifizieren und damit bei weiteren Besuchen genau diesem Datensatz zuzuordnen. Am bekanntesten dürften sicherlich Cookies sein, also ein im Quellcode eingebautes Tool, das mit einem Adserver kommuniziert. Durch diese Art der Markierung ist es möglich, Besuchern einer bestimmten Seite, die nach ihrem Besuch im selben Bereich nach Angeboten suchen, nochmals auf die eigenen Produkte und Dienstleistungen im Rahmen von Werbeeinblendungen aufmerksam zu machen.
Ob und inwiefern das jedoch zum gewünschten Ergebnis führt, ist mehr als fraglich. Eine Umfrage, die jüngst vom Digitalverband BITKOM durchgeführt wurde, spricht eine klare Sprache. Demnach bezeichnen 78 Prozent der befragten User sogenannte Display-Werbung, die nach der Online-Aktivität an anderer Stelle eingebunden wird, als Ärgernis. Lediglich eine verspätete Lieferung führt zu noch mehr negativen Reaktion. Die Erkenntnisse wurden im Bericht „Digitaler Handel“ vorgestellt.
BITKOM verfolgt mit der vorgelegten Studie nicht das Ziel, derartige Ärgernisse im Detail aufzulisten und herauszustellen. Vielmehr handelt es sich hierbei um ein umfassendes Werk auf Basis repräsentativer Befragungen, sowohl unter Verbrauchern, als auch Händlern. Hier geht es dann um Zahlungsoptionen im Onlinehandel, um Aspekte des Mobile Web sowie um den Einfluss von Social Networks auf Produkt- oder Kaufentscheidungen. In diesem Zuge wurde ebenso deutlich, wo es gewaltig schiefläuft.
Negative Erfahrungen machen Verbraucher im Onlinehandel vor allem bei verspäteten Lieferungen, aber auch durch fehlerhafte oder beschädigte Ware sowie mit Produkten, die deutlich von der eigenen Produktbeschreibung abweichen. Also allgemein mit der eigentlichen Dienstleistung in Verbindung stehende Probleme. Dass Retargeting als derart negativ aufgefasst wird, muss also zwangsläufig etwas mit der gängigen Praxis zu tun haben. Es scheint, dass Webmaster und Shopbetreiber hier etwas „übertreiben“ und „übers Ziel hinausschießen“.
Weitere Erklärungsansätze liefert Alexander Gösswein, seines Zeichens Managing Director „Central Europe“ bei Criteo, einer Adtech- und Retargetingplattform. Ihm zufolge hat es mehrere Gründe, weshalb vor allem Onlinewerbung nach einem Kauf zu derart häufig negativ besetzten Reaktionen führt. Einerseits sei ein statistisch oder dynamisch geprägtes Frequency Cap gegeben, das darauf hinwirken würde, wie viele Werbeangebot einem Nutzer tatsächlich eingeblendet werden. Nach Meinung von Gösswein stelle vor allem ein dynamisches Frequency Cap eine ideale Grundlage dar, um gerade werbeaffine, also kauffreudige Nutzer anzusprechen. Das Problem sei hier aber gerade das Zusammenwirken mehrerer Beteiligter, denn wenn Facebook, Google, Criteo und Co. zum selben Zeitpunkt ein solches Retargeting forcieren, stehe am Ende eine Übersättigung, die eben nicht funktioniert und negativ aufgenommen wird.
Gösswein empfiehlt, eine klare Abgrenzung der einzelnen Dienste vorzunehmen und diese nicht parallel laufen zu lassen.
Die Probleme auf Seiten des Onlinehändlers anzugehen und zu identifizieren, ist eine Sache. Die andere Problematik ergibt sich aber dadurch, dass ein und derselbe User nicht immer zwangsläufig und eindeutig als solcher identifiziert wird. Sei es, weil technisch die Grundlagen im System fehlen, Cookies in der Form zu setzen, oder aber durch den Zugang über Smartphone, Tablet und Co.
Alexander Gösswein führt aus, dass heutzutage wesentlich weniger Banner im Durchschnitt eingeblendet werden. Er führt dies auf eine Cross-Device-Technologie zurück, die eben jenes Problem angehe und Überschneidungen, die zu negativen Eindrücken führen könnten, vermeide. Zugleich sei es üblich, dass User im Rahmen ihrer Customer Journey auf Angebote in verschiedenen Jobs zugreifen, wodurch selbst solche Angebote durch Retargeting beworben würden, die gar nicht auf einem finalen Kauf basieren. Sein Ansatz geht in die Richtung, dass ein Ecosystem etabliert wird, welches Informationen übergeordnet nutzt und dazu beiträgt, die Customer Experience zu verbessern.
Abschließend lässt sich hier keine klare Handlungsempfehlung aussprechen, auch und gerade aufgrund der Vielfältigkeit und Komplexität der heute üblichen Kauf- und Suchmuster im Netz. Ob und inwiefern ein User als „werbeaffin“ angesehen werden kann, hängt nicht zuletzt von Faktoren ab, die auf Alter, Geschlecht, Interessen und Co. abzielen. Ein Angebot, das sich schwerpunktmäßig an IT-Fachkräfte richtet und damit eine eher jüngere Zielgruppe anspricht, dürfte mit Retargeting sicherlich erfolgreicher sein als Händler, die eine tendenziell konservativere Zielgruppe ansprechen.